Ratgeber
Glasformen
Welches Glas passt zu welchem Getränk?
Die Entwicklung von Trinkgläsern - Kunst, Kultur und Genuss
Unbestreitbar gehört die Kenntnis der Herstellung von Glas zu den großen kulturellen Errungenschaften der Menschheit. Menschen entdeckten den Nutzen des jahrtausendealten Werkstoffs Glas für sich, lange bevor es ihnen gelang, es selbst herzustellen. Heute treffen wir Glas in seinen vielfältigen Formen in allen Lebensbereichen an und es ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Vor allem im Genussbereich. Die Bandbreite von Trinkgläsern beginnt bei welchen aus einfachem Pressglas für jeden Tag bis zu edel geschliffenen Kristallgläsern für besondere Anlässe. Es ist nicht nur Ausdruck der Optik und der Tafelkultur, sondern vor allem des Genusses, dass sich seit der Entdeckung von Glas in mehreren Tausend Jahren der Gebrauch als Trinkgefäß immer weiter verfeinert hat.
Was ist Glas und woraus wird es hergestellt?
Chemisch gesehen ist Glas ein amorpher Werkstoff. Es ist so alt wie die Erde selbst, da es bei extrem hohen Temperaturen wie einem Meteoriteneinschlag (Tektite), einem Blitzeinschlag (Fulgurite) oder einem Vulkanausbruch (Obsidian) auf natürliche Weise durch die immense Hitze entsteht, die so ein Ereignis verursacht. Sogar bei Expeditionen auf den Mond wurde Naturglas gefunden.
Die erstmalige Benutzung von Obsidian als Werkszeug belegen Funde aus der Steinzeit. Bereits um 7000 v. Chr. verwendeten Menschen Vulkanglas zum Zerteilen von Jagdbeute, zum Abschaben der Felle oder als Speerspitzen. Der Ursprung der bewussten Herstellung von Glas wird ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien vermutet, doch die erste überlieferte Rezeptur findet sich erst sehr viel später in einer Keilschrift ca. 650 v. Chr. Ein assyrischer König ließ darin das erste bekannte Glasrezept wie folgt festhalten: "Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen, 5 Teile Kreide - und Du erhältst Glas." Diese Rezeptur ergab ein sehr weiches Glas. Erst durch Experimentieren mit den Bestandteilen ließ sich im Lauf der Zeit härteres Glas erzeugen.
Die Herstellung von Glas und Glasgefäßen
Die Hitzeentwicklung eines Feuers hängt vom Brennmaterial ab. Das Problem, Sand, Soda oder Pottasche und Kalk zu Glas zu verschmelzen lag deshalb in der Erzeugung einer gleichmäßig hohen Hitze von ca. 1400°C bis 1600°C. Das gelang kaum mit einem Lagerfeuer, wohl aber mit Brennöfen, in denen zuvor auch Ton zur Herstellung von Gefäßen gebrannt wurde. Die ältesten gebrannten Glasgegenstände waren jedoch noch keine Behältnisse, sondern so einfache Schmuckgegenstände wie Perlen oder kleine Amulette.
Großvolumige Gefäße entstanden im letzten Jahrhundert v. Chr. mit der Erfindung der Glasmacherpfeife, eines Rohres, mit dessen Hilfe das flüssige Glas in Formen geblasen werden konnte. Zuvor gab es eine andere, wesentlich aufwändigere Methode, um Behälter aus Glas herzustellen. Dazu wurde vorhandenes Glas pulverisiert und ein feuchter Lehm-Sandkern darin gewälzt, der anschließend gebrannt wurde. Um stabiles Glas zu erhalten, das nicht beim Entfernen des Lehmkerns wieder zerbrach, musste dieser Vorgang mehrmals wiederholt werden. Diese Vorgehensweise war sowohl kompliziert als auch zu zeitintensiv, um sich gegen die Glasbläserei durchzusetzen. Deswegen verbreitete sich die Handwerkskunst des Glasblasens in Windeseile rund ums Mittelmeer und bis nach China.
Glasgefäße wurden zunehmend Bestandteil in den Haushalten aller wohlhabenderen Menschen. Seit dem Mittelalter entwickelte sich vor allem Venedig zum Zentrum der qualitativ hochwertigsten Glasherstellung.
Glasformen im Wandel der Zeit
Mit der Spezialisierung der Herstellungsverfahren wurden auch die Formen der Trinkgefäße immer vielfältiger. Da sich nur Glas leisten konnte, wer über entsprechende finanzielle Mittel verfügte, diente die Farb- und Formgebung der Trinkgläser auch dem Zeichen von Wohlstand. Frühe Formen waren der Natur nachempfunden, wie beispielsweise der Lotuskelch. Es folgten Pokale und Trinkschalen, Trinkhörner und kleine Glasbecher. Anfangs sehr farbenfroh gestaltet, gingen die Glashersteller zunehmend dazu über, ihre Handwerkskunst durch einen Reichtum an Ornamenten zu demonstrieren.
An den Fürstenhöfen erfreuten sich schwere Kelche mit üppigen Verzierungen großer Beliebtheit, die oftmals das Wappen des jeweiligen Hauses darstellten. Ab dem späten Mittelalter fanden sich die größten Meister ihres Fachs auf der Insel Murano vor Venedig zusammen. Ihre besondere Spezialität waren Flügelkelche, die durch ihre Dünnwandigkeit bestachen. Ab dem 16. Jahrhundert wurde diese Art der Trinkgläser venezianischer Art auch nördlich der Alpen hergestellt. Zunehmend entwickelt sich zusätzlich ein Markt für einfach geformte Trinkgefäße, die meist wegen eines hohen Anteils an Eisenoxid in Sand und Pottasche grünlich waren. Sie wurden als "Waldglas" bezeichnet.
Der so genannte "Römer" darf mit seiner kugeligen Kuppa (meist mit großem Fassungsvermögen) auf einem zylindrischen Schaft als Vorgänger unserer heutigen Weingläser angesehen werden. Das Spiel mit Farben, Ornamenten und Schliffen war über Jahrhunderte auch im Bürgertum hoch geschätzt. Doch nicht nur die kunstvolle Glasform, sondern auch der Einfluss auf den Geschmack des Getränks spielte zunehmend eine größere Rolle bei der Gestaltung. Eine Wende in der Formgebung von Trinkgläsern brachte jedoch erst der Jugendstil. Die heute beliebten dünnwandigen und hochstieligen Gläser kamen damals in Mode.
Welche Glasformen gibt es heute?
Mittlerweile gibt es für jedes Getränk das passende Glas. Der Grund liegt darin, dass die Glasform darüber mitentscheidet, ob sich Geschmack und Aroma richtig entfalten können. Jeder kann das leicht mit einem kleinen Test selbst feststellen. Ein edler Rotwein kommt in einem normalen Trinkglas nicht so voll zu seiner Geltung wie in einem passenden Rotweinglas.
Den Umkehrschluss lässt das leider nicht zu: Nicht das feinste Rotweinglas wird den Geschmack eines minderwertigen Weines verbessern können. Neben dem Geschmack unterstützt das richtige Glas auch die Frische eines Getränks. Cocktails brauchen Luft, um ihr Aroma zu entfalten, weswegen Cocktailgläser nach oben offen sind.
Beim Aperitif hängt sehr davon ab, was serviert wird: vom Longdrinkglas über das Sherryglas bis zur Sektflöte betont jedes Glas den Duft des jeweiligen, den Appetit anregenden, Getränks. Der Digestif schließt bekannterweise den Magen, da er der Verdauung dienen soll. Auch für ihn kommt eine Bandbreite von Gläsern zur Auswahl, vom Grappaglas über das Obstlerglas bis zum Schwenker (für Cognac). Sektflöten wie auch Champagnerflöten besitzen einen hohen und schmalen Kelch und einen langen Stil, der verhindern soll, dass sich der Sekt/Champagner zu schnell in der Hand erwärmt. Eine Champagnerschale ist dagegen weniger zu empfehlen, da sich in dem breiten Kelch die Perlage der Kohlensäure zu schnell verflüchtigt.
Das optimale Weinglas zu finden, scheint eine Wissenschaft für sich zu sein. Generell lässt sich sagen, dass der fruchtige Weißwein für sein feines Aroma einen kleineren Kelch und einen langen Stil benötigt, während Rotwein generell in bauchigeren, aber ebenfalls langstieligen Gläsern serviert wird. Da Rotwein vor seinem Genuss atmen sollte, entscheidet über die Größe des Gefäßes sowie der Glasöffnung der Gerbstoffgehalt des jeweiligen Rotweins. Für fast jede Biersorte gibt es ein anderes Bierglas, Einigkeit herrscht lediglich darüber, dass ein Pils in einer Tulpe am besten schmeckt.
Ein Shotglas wird für Hochprozentiges benutzt, während ein Nosingglas in erster Linie bei der Verkostung von Whiskey und anderen Spirituosen Verwendung findet. Wasser, aber auch Säfte und Limonaden werden in der Regel im schlichten Wasserglas oder auch Tumbler serviert. Die Vielfalt der Gläser sieht schön aus, bringt das jeweilige Getränk erst zur Geltung und erhöht den Genuss.