Nachdem im ersten Teil unseres Reiseberichtes über die Karibikinsel Guadeloupe bereits die „Distillerie Damoiseau“ auf der linken Inselhälfte Grand-Terre und die Brennereien auf Marie-Galante vorgestellt wurden, soll sich der zweite Teil nun auf Basse-Terre konzentrieren.
Von der eher flachen, trockenen Region im Osten Guadeloupes kommend, mag die landschaftliche Ausprägung und die üppige Vegetation Basse-Terres zunächst überraschen. Die Inselhälfte wird durch ein Gebirgsmassiv vulkanischen Ursprungs geprägt, welches sich vom Norden bis zur Südküste hindurchzieht und für ein im Vergleich deutlich feuchteres Klima und häufige Wetterumschwünge Sorge trägt.
Distillerie du Domaine de Séverin
Die Brennereien auf Basse-Terre sind alle in Küstennähe und lassen sich auf einer Rundreise problemlos besichtigen. Vom Flughafen Richtung Nordwesten auf der N2 fahrend, findet sich zwischen Lamentin, welches aufgrund seines wunderschönen Amphitheaters bereits eine Reise wert ist, und dem Badeort Sainte-Rose die Abzweigung nach Cadet, wo sich die „Distillerie du Domaine de Séverin“ wenige Kilometer landeinwärts befindet. Von sattgrünen Zuckerrohrfeldern umgeben, liegt die Brennerei versteckt in einer kleinen Senke.
Für Touristen wird ein spannender und ausgesprochen aufschlussreicher Rundgang angeboten, wo neben den eigentlichen Produktionsanlagen und Lagerhäusern auch ein Botanischer Garten und das historische, im Kolonialstil gehaltene Landhaus des Gründers besichtigt werden kann. Auf der abschließenden Fahrt im „Petite-Train“ durch die Zuckerrohrfelder und Ananasplantagen werden zudem viele Informationen über die Geschichte der Brennerei sowie den Herstellungsprozess gegeben. Die abschließende Verkostung wird abwechslungsreich und äußerst großzügig gestaltet. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, die hauseigenen Produkte direkt im Shop zu erwerben.
La Distillerie Reimonenq
Fährt man von der Séverin-Brennerei aus weiter in Richtung Norden, erreicht man nach wenigen Kilometern Sainte-Rose. Direkt am Ortseingang ist die „Distillerie Reimonenq“ samt angeschlossenem Rhum-Museum zu finden. Ein absolutes Muss für jeden Touristen.
Der Besucher erhält tiefe Einblicke in den Anbau und die Ernte des Zuckerrohrs sowie die weitere Verarbeitung zu Rhum Agricole. Die Brennerei selbst besitzt ca. 30 Hektar Land, auf der pro Jahr 2800 Tonnen Zuckerrohr geerntet werden können. Dies ergibt einen jährlichen Ausstoß von ungefähr 240.000 Litern Rhum mit 50 % Vol.
Reimonenq Coeur de Chauffe Rhum Blanc
Der Reimonenq Coeur de Chauffe Rhum Blanc ist das Vorzeigeprodukt der Brennerei. Der 50 %ige Rhum Agricole zeigt hocharomatische Noten von frischem Gras, tropischen Früchten und süßlichem Zuckerrohrsaft. Eine kurze Reifeperiode in Eichenfässern sorgt für eine zartgoldene Farbe und eine harmonische Eichenwürze.
Im Geschmack ist der Reimonenq Coeur de Chauffe Rhum Blanc kräftig und vollmundig. Frisches Zuckerrohr und reife Früchte sind dominant und von einer herrlichen Frische und Intensität. Es gibt nicht wenige, die den Reimonenq Coeur de Chauffe Rhum Blanc für den besten Rhum der Insel halten. Im Ti‘ Punch ist er zweifelsohne legendär.
Den Reimonenq Coeur de Chauffe Rhum Blanc gibt es auch in einer Abfüllung mit 0,7 l Inhalt.
Reimonenq bietet selbstverständlich auch langgereifte Rhums an, die vor allem in ihrer Komplexität und der spielerischen Leichtigkeit überzeugen können.
Angefangen beim Reimonenq Rhum Vieux 3 Jahre, dessen fruchtig-intensiver Brennereicharakter noch deutlich zum Vorschein kommt und das würzige Eichenholz lediglich kleine Akzente setzt, kommt der Holzfasseinfluss beim Reimonenq Rhum Vieux 6 Jahre deutlich stärker zum Tragen. Mit Noten von Vanille, Karamell und kandierten Früchten, machen der Drei- sowie der Sechsjährige eine tolle Figur im Ti‘ Punch und anderen Mixgetränken, indem sie die typischen Fruchtaromen elegant zu erweitern wissen.
Der Reimonenq Rhum Vieux 9 Jahre hingegen ist deutlich von würzigem Eichenholz geprägt, welches in seiner Eleganz und Tiefe sehr an einen erstklassigen Cognac erinnern lässt. Der Reimonenq Rhum Vieux 9 Jahre ist daher auch im Purgenuss eine echte Wucht. Reichhaltige Noten von Trockenfrüchten, gerösteten Nüssen, Vanille, Biskuitboden und Buttertoffee werden von weihnachtlichen Gewürzen und Zedernholz unterstützt. Im Abgang zeigt sich eine ausgeprägte Tanninstruktur, die mit Anklängen von Tabak, Leder und Bitterschokolade zu überzeugen weiß.
Nach dem Besuch der beiden Brennereien laden die Strände rund um die Stadt Deshaise im Norden der Insel zum Verweilen ein. Kleine Fischrestaurants, schneeweiße, palmengesäumte Sandstrände und echtes Karibikfeeling lassen das Herz eines jeden Touristen höher schlagen.
Die Rundreise geht entlang der Westküste weiter Richtung Süden. Auf Höhe des pittoresken Örtchens Mahaut, bietet es sich an, die Route de la Traversée, eine wunderschöne Bergstraße, die den Osten mit dem Westen der Insel verbindet, zu nehmen. Neben der atemberaubenden Landschaft machen vor allem der Zoologische Garten und die zahlreichen Wasserfälle den Reiz der Route aus, heftige Wetterumschwünge inbegriffen. Generell gilt es, in den Bergen Guadeloupes auf alles gefasst zu sein. Strahlender Sonnenschein und kräftiger Gewitterregen sind manchmal nur Minuten voneinander entfernt.
Distillerie Carrère
Wieder an der Ostküste Basse-Teres angelangt, geht die Reise auf der vielbefahrenen N1 weiter gen Süden. In Petit-Bourg winkt der nächste Zwischenstopp. Dort ist die 1930 von der Familie Dolomite gegründete „Distillerie Carrère“ zu finden, in der der Rhum Montebello produziert wird.
Das Besondere am Rhum Montebello ist zum einen die lange Gärungsphase von 48 Stunden und zum anderen die einzigartige Reifung. Der Rhum lagert nämlich in Eichenfässern, die wiederum in großen Metallbehältern aufbewahrt werden, in denen hohe Temperaturen herrschen. Dadurch wird die Reifung verstärkt und das würzige Eichenaroma tritt in den Vordergrund.
Daher verwundert es nicht, dass vor allem die gelagerten Spezialitäten aus dem Hause Montebello zu überzeugen wissen. Angefangen beim Montebello Rum Vieux 6 Jahre, der bereits ein vollmundiges, intensives Aroma und reichhaltige Noten von Karamell, Milchschokolade, Kokos und kandierten Orangenschalen vorweisen kann. Kräftige Eichenwürze und Anklänge von getoastetem Zedernholz sorgen für die nötige Komplexität und Tiefe. Der Montebello Rum Vieux 6 Jahre bietet für sein junges Alter bereits eine famose Reife und erstaunlich reiche Fassaromen mit sich, wodurch er nicht nur einen äußerst exklusiven Ti‘ Punch zaubert, sondern auch pur ein wahrer Genuss ist.
Das Flaggschiff der Distillerie Carrère ist der Montebello Rum Vieux 10 Jahre. Dieser hat durch die außergewöhnliche Reifung bereits einen sehr dominanten, vollmundigen Körper. Eine leichte Fruchtigkeit des Brennereicharakters ist zweifelsohne noch vorhanden, die Fassaromen spielen aber erwartungsgemäß die Hauptrolle. Datteln, Feigen und getrocknete Aprikosen, dazu eingelegte Rosinen, Nussschokolade, Honig, Vanille und kräftige Eichenwürze bereiten einen phänomenalen Geschmackseindruck. Der Abgang scheint schier endlos zu sein, herbe, trockener werdende Eindrücke drängen in den Vordergrund. Weihnachtliche Gewürze, Tabak und Leder bleiben noch Ewigkeiten auf der Zunge.
Der Montebello Rum Vieux 10 Jahre weiß nachhaltig zu beeindrucken. Es ist die Kombination aus süßer Fruchtigkeit, herbalen Noten und voller, intensiver Eiche, die diesen Rhum so einzigartig und empfehlenswert machen.
Distillerie Espérance
Nur wenige Kilometer weiter südlich findet sich schon die nächste Brennerei Guadeloupes. Nahe der 20.000 Einwohner-Stadt Capesterre-Belle-Eau liegt, eingeschlossen von weitläufigen Zuckerrohrfeldern, die „Distillerie Espérance“. Die dort produzierten Rhums werden interessanterweise aber nicht alle unter demselben Namen vermarktet. Während der Rhum Longueteau vor allem für den einheimischen Markt bestimmt ist, gelangt der Rhum Karukera größtenteils in den Export. Der Name ist dabei nicht der einzige Unterschied. Der Rhum Karukera wird nämlich ausschließlich aus einer ganz besonderen Zuckerrohrart, dem blauen Zuckerrohr, hergestellt. Dieser ist nochmals fruchtiger und intensiver im Aroma aber auch deutlich schwieriger in der Kultivierung.
Longueteau Rhum Vieux 6 Jahre
Der Longueteau Rhum Vieux 6 Jahre reifte für viele Jahre in ehemaligen Bourbonfässern aus amerikanischer Weißeiche. Dadurch entsteht eine wundervoll harmonische Liaison aus tropischen Früchten, süßem Zuckerrohrsaft, kräftigem Eichenholz und intensiven Kräuternoten.
Der Karukera Rhum Blanc Agricole ist das Aushängeschild der Marke. Durch die ausschließliche Verwendung von blauem Zuckerrohr, zeigt dieser Rhum Agricole eine sagenhafte Fruchtigkeit. Grüne Äpfel, Birnen und Stachelbeeren schaffen ein tolles Wechselspiel aus angenehmer Süße und prickelnder Säure. Im Hintergrund finden sich pflanzliche Noten. Frisch gemähtes Gras, Heu und die Assoziation von Blumenwiesen treten hervor.
Auf der Zunge ist der Karukera Rhum Blanc Agricole voll und intensiv. Erneut sind fruchtige Noten dominant, wobei sich am Gaumen nun Bananen, Litschis und Zitronen zeigen. Anklänge von Gewürznelken und Piment sind ebenso zu erkennen.
Der Karukera Rhum Blanc Agricole ist ein wirklich fantastischer Rhum Agricole, der einfach alle Facetten, die diese Spirituosenkategorie auszeichnen, zu bieten hat. Einer der besten Rhums auf dem Markt, uneingeschränkt empfehlenswert.
Distillerie Bologne
Die neunte und damit letzte Station unserer Rundreise beginnt mit der abenteuerlichen Fahrt zur Hauptstadt Guadeloupes: Basse-Terre. Entlang des Zentralmassiv, mit Blick auf die imposante Erscheinung des aktiven Vulkans La Soufrière, geht es in einer atemberaubenden Berg- und Talfahrt zur Westküste der Karibikinsel.
Die „Distillerie Bologne“ liegt auf einer kleinen Anhöhe, von der aus man das Meer und ganz Basse-Terre überblicken kann. Umgeben von Zuckerrohrfeldern steigt dem Besucher bereits bei der Zufahrt das verführerische Aroma in die Nase.
Bologne Rhum Blanc
Einer der bekanntesten und meistverkauftesten Rhums der Insel ist der Bologne Rhum Blanc mit kräftigen 50 % Vol. Alkohol. Durch die Kombination aus vollreifer Fruchtigkeit, floralen Noten und einer gewissen Erdigkeit, ist der Bologne Rhum Blanc die perfekte Grundlage für das Nationalgetränk Ti‘ Punch.
Den Bologne Rhum Blanc gibt es auch in einer Sonderedition inkl. Glas mit aufgedrucktem Logo der Brennerei. Aber nur für kurze Zeit, hier ist Schnelligkeit gefragt. Des Weiteren stellt die Distillerie Bologne auch noch eine Variante mit 55 % Vol. Alkohol her, bei der die charakteristischen Zuckerrohraromen nochmals stärker zum Vorschein kommen.
Wir hoffen, dass Ihnen die kleine Rundreise durch Guadeloupes Brennereien gefallen hat. Vielleicht haben Sie das Glück und können selbst einmal Urlaub auf der wunderschönen Karibikinsel machen. Es lohnt sich auf jeden Fall. Guadeloupe ist nach wie vor ein kleines und dennoch ausgesprochen abwechslungsreiches Paradies mit traumhaften Stränden, netter Bevölkerung und einer atemberaubend schönen Landschaft. Trotz der hervorragenden Infrastruktur ist die Insel nicht überlaufen und noch sehr ursprünglich. Ein Brennereibesuch sollte dann aber auf keinen Fall fehlen. À votre santé und bis zum nächsten Mal,
Ihr Team von drinkology.de
